Amerika ist anders
Dies ist die Erkenntnis, die 21 SchülerInnen und zwei begleitende Lehrerinnen im Rahmen des USA-Austausches gemacht haben. Der positive Aspekt: Uns wurde extrem viel Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Interesse entgegen gebracht. Der negative Aspekt: Viele unserer Vorurteile, vor allem bezüglich des Umweltbewußtseins der Amerikaner, wurden bestätigt.
Frau Bredemann, die verantwortliche Lehrerin auf der amerikanischen Seite, hatte uns ein sehr abwechslungs- und lehrreiches Programm zusammengestellt, in dessen Mittelpunkt der amerikanische Präsident Abraham Lincoln stand. Unsere im Rahmen einer Projektarbeit theoretisch gewonnenen Erkenntnisse über die Zeit des Sezessionskrieges wurden auf einem Ausflug nach Springfield ins Lincoln-Museum ( siehe Foto) und in dessen Wohnhaus wunderbar ergänzt. Aber auch in Peoria, wo wir im Police-Department eine Spürhund-Vorführung erlebten und in St Louis, wo Mississippi-Feeling aufkam, erlebten wir viel Interessantes.
Unser Besuch fiel überdies in die Zeit der traditionellen Homecoming- Festivitäten, die an vielen Highschools und Colleges in den USA zu Beginn eines neuen Schuljahres üblich sind. Wir nahmen unter großer Beteiligung der Bevölkerung an einer Parade (Festumzug) durch Chillicothe, einem nächtlichen Footballturnier, Cheerleader-Aufführungen und einem großen Lagerfeuer teil. Den festlichen Abschluss und Höhepunkt bildete der Homecoming-Dance (siehe Foto unserer Gruppe) und die Krönung einer Homecoming Queen sowie eines Homecoming Kings. Hier zählen vor allem Beliebtheit, Schönheit oder Verdienste der Schülerinnen und Schüler um die Schule. Diese jährliche Tradition zeigte uns sehr deutlich, wie stark sich unsere amerikanischen Partner und deren Familien mit ihrer Schule identifizieren.
Den amerikanischen „way of live“ aber konnten alle am besten in den Gastfamilien erspüren. Uns fielen die aus unserer Sicht völlig überdimensionierten Autos auf, jedes Familienmitglied mit Fahrerlaubnis besitzt eines, wenn es sich die Familie irgendwie leisten kann. Denn in Amerika geht niemand zu Fuß, wenn dies vermeidbar ist! Ute Hammes und Kirk, die beide nur einige Hundert Meter von der High-School entfernt wohnten, wurden auf ihrem morgendlichen Fußweg zur Schule häufiger entgeistert angesprochen, ob man sie nicht mit dem Wagen mitnehmen könne…! Auffallend war auch die Tatsache, dass in vielen Familien nur mit Einmalgeschirr gegessen wird und dass die großzügigen Küchen und Speisezimmer kaum genutzt wurden.
So hat eben jeder in „seiner“ Familie unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Auch wir Lehrerinnen stellten fest, dass sich unser Aufenthalt gänzlich von einer touristischen Reise unterschied und wir durch das Leben in „unserer“ Gastfamilie viel tiefere Einblicke in das uns doch ziemlich fremde Land gewinnen konnten. Aber das Wichtigste: SchülerInnen wie Lehrerinnen haben neue Freunde gefunden!
Dies wurde spätestens bei der typisch amerikanischen Abschlussparty klar, zu der eine der Gastfamilien alle am letzten Abend einlud. Auch ohne kulturelle Angebote und Discos usw., die es in Chillicothe nicht gibt, können unsere amerikanischen Partner etwas Tolles auf die Beine stellen: Lagerfeuer, Grillwürstchen, Hot dogs, gegrillte Marshmellows, heißer Apfelsaft mit Zimt und Orange, heiße Schokolade, allerlei Süßigkeiten und als Highlight „hayrack ride. Wir saßen auf einem mit Heuballen beladenen Anhänger und wurden mit dem Traktor über die abgeernteten Mais- und Sojabohnenfelder gefahren. Man sah den herrlichen Sternenhimmel, einige sinnierten über die Weite des Äthers und fühlten sich dem Mittleren Westen sehr nah (siehe Foto). Der Abschied zu später Stunde war tränenreich, am Morgen vor dem Bus kam es nochmals zu Herz zerreißenden Szenen zwischen den Partnern und deren Familienangehörigen.
Lange konnte man sich dem Abschiedsschmerz nicht hingeben, denn nun folgte der Flug nach Chicago mit einem dicht gedrängten Sightseeing-Programm voller Höhepunkte, das Frau Fröhlich, die leider erkrankt war und deshalb nicht mitreisen konnte, perfekt ausgearbeitet und vorbereitet hatte. Hier in Chicago zeigte sich nun auch endgültig, wie gut die Reisegruppe zusammengewachsen war. Wir Lehrkräfte hatten uns größte Sorgen gemacht, wie unsere Schüler die beiden 10- und 11-Bett-Zimmer überleben würden, die ihnen in der Jugendherberge zugewiesen worden waren! Diese Sorge war völlig unbegründet, denn die Mädchen- und Jungengruppe hat das Beste aus diesen kasernenähnlichen Wohnverhältnissen gemacht und sich dabei sogar wohl gefühlt!
Glücklich aber übermüdet kamen wir drei Tage später morgens um 9.30 Uhr wieder in Frankfurt an und waren einhellig der Meinung, eine Reise unternommen zu haben, die wir nie vergessen werden.
Angela Fürbeth-Schulz und Ute Hammes
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